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Konzerteindruck Komplizen

Bandbio

Im Dazwischen ist Platz

Von souliger Samtigkeit bis zum existentiellen Schreien

Wie ein Roadtrip rauscht der Garagenpop der Komplizen durch neblige Hügel, aufs Meer und in den Wald, in die Innenwelt von Hoffnungsvollen und Hoffnungslosen. Und manchmal zeigt sich ein Ausblick, flüchtig, ergreifend wie ein Bergpanorama. Auf dem treibenden Fundament aus Schlagzeug und Bass wabert die warme Gitarre, schweben verwobene Klangwelten, bettet sich der mehrstimmige Gesang der drei Frontfrauen. Die Instrumente quietschen, scharren, schuschuhen; hängen sich als Hook ins Ohr.

Komplizen im Konzert. ©2019 Florian Rosier
Komplizen im Konzert. ©Florian Rosier

In den Arrangements experimentieren die Komplizen mit den Stilen, behalten als Kompass jedoch die markante Stimme von Ellen Bonte, deren Texten eine Dringlichkeit innewohnt, die sich trotzig gegen das Vereinfachen auflehnt und sich dennoch dem Pop hingibt.

Und manchmal zeigt sich ein Ausblick, genauso flüchtig wie ergreifend.

Ellen Bonte bei Komplizen Konzert
Die ausdrucksstarke Stimme von Ellen Bonte prägt das Soundbild der Band. ©Florian Rosier

In Bontes Texten und in ihren Liedern liegt eine Dringlichkeit.

Die gebürtige Münsteranerin beginnt früh mit dem Lieder schreiben; geprägt von der Musikbegeisterung ihrer älteren Brüder, von denen sie schon als Kind Mixtapes „ausleiht“. Mit 16 geht sie nach Kanada und sammelt als Bassistin erste Konzerterfahrung. Ab 20 steht sie dann solo mit der Gitarre auf der Bühne, tourt mit Illute und spielt in verschiedenen Kombos, u. a. mit Dörte von Sturmschäden und mit MarionMarion.

Doch sie merkt schnell, dass Lampenfieber zu einer immer größeren Herausforderung wird und Angstattacken sie begleiten. Trotz Auftritten beim Fusion Festival oder als Vorband von Locas in Love scheut sie die Aufmerksamkeit, spielt zweimal im Jahr kleine Konzerte, veröffentlicht ihre Stücke im Selbstverlag und mit marginaler Auflage, verdient ihr Geld mit einer Bar und als Texterin.

2016 ändern sich mit dem Umzug nach Leipzig wichtige Vorzeichen in Bontes Leben. Sie wird in der lebendigen Leipziger Open Mic-Szene aktiv. Mit der Sängerin und Geigerin Maren Patzwahl gründet sie ein Duo, mit dem die beiden auf den offenen Bühnen der Stadt spielen. Bei den gemeinsamen Auftritten überwindet Bonte das Lampenfieber, das sie als Soloact plagte.

Maren Patzwahl beim Seeklangfestival ©2020 David Deing
Maren Patzwahls jazzige Vocals erden mit Nuanciertheit und sanfter Kraft. ©David Deing
Artwork Komplizen EP 2019
Artwork der ersten EP

Sie startet das Projekt „Ellens Komplizen“ zunächst mit wechselnden Musiker:innen, darunter der britische Folkgitarrist Alastair Gordon und die Querflötistin Christin Schmidt. Der Drummer Jonathan Rentsch kommt hinzu. Schließlich schließt sich Franz Schwarznau am Bass ihnen an.

Die Musiker:innen entwickeln auf Basis von Bontes Liedern einen eigenwilligen Klang: groovig, verspielt, manchmal zart und zerbrechlich, plötzlich düster, dann wieder wie eine warme Umarmung. Komplex, abwechslungsreich und selten vorhersehbar. Eine Art Alternative Pop mit Soulvibe und Bluenotes, eine elegante Verschmelzung verschiedener Stile und Einflüsse.

Komplex, abwechslungsreich und selten vorhersehbar

Jonathan Rentsch am Schlagzeug ©2019 Florian Rosier
Jonathan Rentsch am Schlagzeug

Die Band kürzt den Namen zu „Komplizen“ und nimmt 2019 ein Demo auf, das auf durchweg positive Resonanz stößt. Um die Soundvielfalt zu erweitern, holt Bonte auch ihre Duo-Partnerin Maren Patzwahl in die Band.

Das Debüt Manic Soul, ein wilder Trip durch die Genres

Lange interpretieren die Komplizen ihre Songs im Konzert immer wieder neu, doch nach und nach werden die Arrangements immer feiner. Im Sommer 2020 nehmen die Musiker:innen das Video zu “Satt” auf, eine epische Hymne auf Grundlage des Texts “Gefilde der Unseligen” von Gottfried Benn. Während die Pandemie den Konzertbetrieb lahmlegt, arbeitet die Band an ihrem Debütalbum. Nach einem erfolgreichen Crowdfunding geht es im Sommer 2021 für eine Woche ins Studio. Mitten in der sächsischen Pampa feilt die Band bis zum letzten Recording an den Stücken. Im Mai 2022 erscheint schließlich “Manic Soul”, ein wilder Trip durch die Genres, in dem der Raum zwischen den Tönen eine prominente Rolle spielt.

Die neuen Komplizen lachend. Bild: felafilm.art
Teresa Rodriguez, Maren Patzwahl, Ellen Bonte, Judith Bierbrodt, Jonathan Rentsch (v. l. n. r.); Bild: felafilm.art

2022 kommt es nochmals zum Wechsel: Franz Schwarznau und Christin Schmidt gehen eigene Wege. Der Verlust von zwei so begabten Musiker:innen trifft die Komplizen zunächst sehr. Nach Corona ein weiterer Abschnitt Schotterpiste. Nach einiger Suche verstärken schließlich Teresa Rodriguez am Bass und Judith Bierbrodt an der Trompete die Band. Gemeinsam spielen sie schon nach kurzer Probezeit beim Rudolstadt-Festival und merken schnell, dass diese neue Allianz ein neues Kapitel aufschlägt und starke Synergien freisetzt.

Denn wenn “Komplizen” laut Duden “Helfershelfer einer Straftat” sind, so sind in diesem Falle die Musiker:innen Helfershelfer eines aufrüttelten Sounds, der genauso melancholisch wie beschwingt die Fragen aufwirft: Was kann ich machen, wo stehe ich in dem Ganzen und wie verhalte ich mich in Anbetracht der gefühlten und tatsächlichen Katastrophen? Bestenfalls entsteht so ein Moment des gemeinsamen Schwungholens. Für den nächsten Schritt. Denn es geht weiter. Solange wir gehen.

©2020 Komplizen